Design & Farbe

Anregungen zur Sensibilisierung für die Qualität von
Farbigkeit in Design, Mode und Architektur

Manuskript für einen Vortrag beim 13. Dresdener Farbenforum Farbenpädagogik

Form und Farbe in Design und Mode

In einem Beitrag von Burkhard Remmers zum Buch „Geste & Gewissen im Design“ werden für „Design als Kunst, die sich nützlich macht“ unter anderem folgende Zielsetzungen genannt:

Dauerhafte Güter mit dauerhafter Ästhetik zu produzieren,

Tizio Leuchte von Artemide

Tizio von Richard Sapper seit über 30 Jahren im täglichen Gebrauch

deren Gebrauchswert zu erhöhen und Verschwendung zu reduzieren, – und „erst wenn ein Produkt eine echte Verbesserung im Gebrauch bietet und einen neuen, formal und funktional langlebigen Standard setzt sind Entwicklung und Produktion gerechtfertigt.“

Alles Ziele, die nicht nur für jegliches ernst zu nehmendes Design gelten sollten, sondern auch für Architektur und darüber hinaus für Vieles im Leben.
Es sind Ziele – die Realität sieht anders aus:

Es wird produziert, was sich verkaufen lässt. Also wird produziert, was dem Geschmack und dem Wunsch der Konsumenten wohl entsprechen mag.

Uhr im Mondrian Look

Eine Komposition in Rot, Blau, Gelb und Schwarz – ein Kunstwerk von Mondrian neu interpretiert in Form einer Wanduhr.
Mit Signatur. 195 €
Aus Süddeutsche Zeitung Shop 1

Norbert Bolz: „Wir alle leben in der freiwilligen Knechtschaft der User.“ Design jeglicher Art aber besonders Autodesign, Grafikdesign, Kommunikationsdesign u.a. kranken häufig an zuviel Information oder auch an unpassenden Zitaten. Das führt schnell zur Schwächung einer Aussage.

Weniger ist mehr

Ein Tafelspitz mit Kren angerichtet auf einem bunten Teller
Das Bild aus der Zeitschrift „Die Zeit“ ist die Illustration von „Tafelspitz mit Kren“ aus der Serie „Wochenmarkt“ mit dem Untertitel „kinderleicht und edel“.2

Man sagt: Das Auge isst mit. Nur, was soll das Auge nicht alles essen, bevor es den Tafelspitz gibt, der ja nicht wirklich zur Geltung kommt. Der Tisch ist überladen, der Teller ist dekoriert, der Löffel zeigt anmutiges Besteckdesign.

Die Konzentration auf das Gericht macht Appetit.

So clean muss ein Gericht nicht serviert werden, allenfalls im Krankenhaus, wo es aus Gründen der Hygiene das Beste wäre, alles weiß zu fassen. Klinisch weiß, weil nur dann, wenn man auf Weiß jede Verschmutzung sieht, solche beseitigt würde.

Jetzt kann man sagen: Der Tafelspitz ist angerichtet, guten Appetit!

Gelb, Rot, Blau

Unverständlich und überflüssig ist das Zitat einer an sich interessanten Fragestellung, wenn es zur billigen Dekoration verkommt. Der Titel:„ Tribut an das Bauhaus“. 3

Eine Uhr im Stile des Bauhauses

Die Fragestellung hinter dem, was hier zitiert wird, ist, welche Farbe den drei Grundformen Dreieck, Kreis und Quadrat zuzuordnen sei. Oskar Schlemmer: „Es wurde beschlossen, dass Gelb für Dreieck, Blau für Kreis und Rot für Quadrat die entsprechende elementare Farbe sein und zwar ein für allemal.“ Anders als von Schlemmer sarkastisch kommentiert ging es Wassily Kandinsky, dem Urheber der Fragestellung, wohl nicht darum, dass jedes Dreieck gelb und jedes Quadrat rot zu fassen sei, sondern darum, sich bei der Entscheidung für eine andere als die „elementare“ Farbe klarzumachen, was sich an Form und Farbe ändert, wenn ein Dreieck nicht gelb, sondern blau oder rot angelegt wird.

Duisburger Zoobrücke Pylon in Gelb und Rot

Foto: Kahled Omeirat

Die Duisburger Zoobrücke über die A3, die ursprünglich Teil des deutschen Beitrags zur Weltausstellung in Brüssel war, hat einen Pylon in Form einer sehr schlanken Nadel, der gelb gefasst ist, ganz im Sinne Kandinskys. Rot gefasst erscheint der Pylon nicht dynamisch wie der gelbe Pylon, sondern schwerfällig.

Systematische Farbfolge

Schematische Darstellung des ACC-Systems

Bilder von Farbsystemen können es einem schnell verleiden, diese als Basis von Gestaltungsaufgaben zu verstehen. Grund dafür ist wohl die zwanghafte Künstlichkeit solcher Bilder. Farbe folgt angemessen auf Farbe.

MoMA-Uhr

Obwohl mit 12 Farbtönen bestückt und obwohl im MoMA wirkt das Ziffernblatt der Uhr monoton wie aus einem Farbsystem entnommen. Daran ändern auch die Farbnebel der Nachbarfarben nichts. 4

Die Kanten mit den Ziffern laufen auf die Achse der Uhr zu. Dadurch entsteht Asymetrie, die manche Elemente falsch dimensioniert bzw. falsch gedreht erscheinen lässt. Die Postion von Gelb ist nicht einleuchtend. Von Grün gibt es zu viele Elemente.

Glänzend-matt, schwarz-weiß

Stuhl von Egon Eiermann einmal matt einmal glänzend lackiert

Seit 50 Jahren in ständigem Gebrauch – einmal neu lackiert

Die beiden Farbfassungen für den Klappstuhl von Egon Eiermann sind Anfang der siebziger Jahre an der TH Karlsruhe, an der Eiermann lehrte, für ein Seminar über Farben für Sitzmöbel entstanden. An der Farbgebung Schwarz matt und Schwarz glänzend konnte gezeigt werden, wie durch die Reflexlichter an dunklen, glänzenden Oberflächen die Plastizität von Gegenständen sichtbar wird, während an dunklen, matten Oberflächen Modellierung unsichtbar ist, die Oberflächen flach erscheinen.

Tizio Leuchte von Artmide einmal in schwarzer einmal in weißer Ausführung

Dunkle Gegenstände, wie zum Beispiel die Lampe „Tizio“ von Artemide in der klassichen Farbe Schwarz erscheinen filigraner als in heller Farbe, durch die sie voluminöser wirken, und das generell auch ohne die Verstärkung duch die räumliche Anordnung.

Rolls-Royce

Chinesische Staatskarosse

Fotografie eines weißen Rolls Royce

Die dominante Kühlerform mit den dunklen, die Tiefe des Motorraums andeutenden Lüftungsschlitzen zwischen den hier hell glänzenden Kühlerlamellen charakterisiert einen immer wiederkehrenden, quasi „klassischen Typus“ der Frontpartie von Autos. 5

Um nicht nur ein „Klassiker“, sondern auch „von heute“ zu sein, wird ein störendes Element eingefügt. Die Einfassung der Scheinwerfer widerspricht stilistisch, formal, farblich und wohl auch als Material den Merkmalen der übrigen Designelemente.

Chinesische Staatskarosse

Beim chinesischen Modell zeigt sich am Design der Scheinwerfer eher Hilflosigkeit als Souveränität bei der Suche nach standesgemäßer Loslösung vom „klassischen Design“. 6

Audi SQ8

Fotografie eines Audi SQ8

Bei Audi gibt es seit vielen Jahren die Übernahme der Großform des Kühlers, die aber banalisiert wird von dem empfindlich störenden, gestalterisch nicht ernst zu nehmenden Nummernschild. 7

Die Frontpartie ist ein Sammelsurium von vielwinkeligen Figurationen, undefinierbaren Ebenen und Tiefen sowie Materialien. Ein gestalterisches Unding ist das gefaltete horizontale Element unter dem Schweinwerfer, das den Kühler festzuhalten scheint. Im Gegensatz zum verschwenderischen Reichtum der Frontpartie geben sich die Motorhaube und die Seitenpartie eher bieder.

Gekonnt

BMW M4

Foto eines BMW M4

BMW M4 in Warnfarbe Sao Paulo Gelb. 8

Unverständlich, warum zuerst eine elegante Doppelniere entworfen wird, um sie anschließend durch das banale Nummernschild zu überlagern und in ihrer formalen Charakteristik zu zerstören.

Polizei Toyota

Foto eines Polizei Toyota

Das ist Design zum Schämen: Überladen, falsch proportioniert, überdimensioniert (Lüftung), in eine Schattenfuge eingeklemmter Scheinwerfer. 9

Dazu unschlüssige Farbgebung – Farbe folgt nicht der Form, schneidet sie aber auch nicht überzeugend, sondern verbindet beliebig vermeintliche Eckpunkte wie die blaue Verbindung zwischen den Leuchten.

Mercedes

Fotografie eines Mercedes
Mit der unsäglich schlechten Anbindung der oberen dunklen Partie an die helle untere am vorderen Radkasten: Nicht besser als der Toyota. <sup>10</sup>

Dass es um die Lüftungsöffnung einen dunklen Dekorstreifen und noch eine feine Linie geben muss, zeigt, dass die Form nicht gut genug ausgebildet ist.

ICE

Fotografie eines deutschen ICE Schnellzugs

Design für eines der größten Unternehmen in Deutschland. 11

Das Design ist auf die Windschnittigkeit der großen Form bezogen, es suggeriert Schnelligkeit. Die Figur des dunklen Fensters ist gegenüber der Silhouette noch „schneller“ gemacht. Die Schattenlinie, die das Fenster schneidet, bremst jedoch. Sie müsste stärker der Schräge des Profils folgen.

Das rote Band beginnt vorne unterhalb eines formal nicht bewältigten Elements, verläuft unentschlossen an der Unterkante einer Abdeckung entlang und schneidet ein Lüftungselement in unguter Weise.

Das alles wird so hingenommen, weil es vermeintlich keine verbindlichen Gestaltungsregeln gibt und der Konsument diese Feinheit sowieso nicht sieht.

Mode

Junge Leute in weißen Sneakers
1814; „… da der Leib gegen die Beine einen edleren Theil ausmacht ….“, dürfen nach Vogels Regel keine weißen Schuhe erscheinen. … . Alles das würde die Aufmerksamkeit vom wichtigsten, von der Persönlichkeit des Dargestellten ablenken.“ (Aus: Vogel von Vogelstein, Hermann A.: Die Farbenlehre des Christian Leberecht Vogel ….. Hamburg 1998, Kovač, S. 67, S.106)

Billie

Porträt Bild von Billi Eilish mit grünen Haaren und weißer Jacke

Eine solche Farbigkeit wird dann zum Erlebnis, wenn alle Elemente in einer bewussten Inszenierung überzeugend aufeinander abgestimmt sind.12

Pickelhaube

Foto eines preussischen Soldaten in Uniform und mit Pickelhaube

Dem Schweizer Architekt Le Corbusier wurde vom Berliner Bausenator wohl untersagt, in der geplanten Wohnmaschine Räume mit einer Deckenhöhe von 2,26 Metern zu bauen, seinem Modularmaß. Der Kommentar von Le Corbusier: „Sie verbieten das Maß, weil die Preußen mit ihren Pickelhauben dort nicht mehr aufrecht stehen können.“ 13

Die Uniform zeigt den Grundfarbenklang mit Gelb, Rot und Blau, wie er als Basisinstrument der Farbentheorie und unter anderem als Grundfarbenklang bei De Stijl und am Bauhaus Bedeutung hatte. Das Gelb, hier metallisch, dadurch für Repräsentanz besser geeignet als Gelb – das Blau in der Tradition von Uniformblau, Marineblau, ursprünglich Indigoblau, so wie auch das Jeansblau und schließlich das Rot, Zinnoberrot oder Scharlachrot in kleinen Mengen akzentuierend gesetzt. Eine imposante Farberscheinung.

Louis Vuitton


Die rosafarbene Tasche bildet mit der gelbbraunen Tischplatte einen disharmonischen Klang.14

Das Rosa ist eine Aufhellung von Rot, das als reine Farbe mitteldunkel ist, eine geringe Eigenhelligkeit hat. Das Braun ist eine Verdunkelung von Orangegelb, das als reine Farbe hell ist, eine große Eigenhelligkeit hat.

Rosa und Braun sind also Umkehrungen, Inversionen genannt, der Eigenhelligkeiten von Rot und Orangegelb, von denen sie hergeleitet sind. Wenn solche Konstellationen von Farben, Inversionen, vorliegen, empfinden wir diese als disharmonisch.


Hier ist die rein rote Ausgangsfarbe von Rosa ins Bild gebracht, wodurch die Disharmonie geschwächt wird.


Die Konstellationen von oben, mit Rot und Rosa, hier mit Grün nachvollzogen.

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Peter Breuer, Hamburg, kommentiert:

Wie die Mondrian-Uhr der Süddeutschen Zeitung eigentlich aussehen müsste.
Neun Uhr wäre dann der perfekte Moment.

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Die Bildzitate stammen von:
1,5 Süddeutsche Zeitung
2,14 Die Zeit
3,4 Fröhlich und Kaufmann
6,11,12 Der Spiegel
7,9 Neue Osnabrücker Zeitung
8 Icon
10 Neue Ruhrzeitung
13 catawiki.com