Farbe in der Architektur, Notizen zu Farbe und Anderem

Notiz 07 zur Farbe in der Architektur

Die Wohnanlage „Les Linandes” in Cergy-Pontoise nahe Paris

Ein der Erinnerung wertes Beispiel für Farbe in der Architektur
Architekten: Sobra
Farbentwurf: Jean-Philippe Lenclos 1976 (Modelle), 1978 (Fertigstellung)

Wohnanlage Les Linandes Frankreich mit ursprünglicher Farbgebung 70er Jahre

Aufnahme zur Zeit der Fertigstellung der Wohnanlage

Aufnahme von 2013 aus annähernd gleicher Position wie 1978

Verloren gegangen ist die Strahlkraft der Farben (strahlendes Weiß hat nicht die vielfältig wirkende Kraft bunter Farben). Verloren gegangen ist die positiv einnehmende Atmosphäre eines Quartiers zum Wohnen und auch die Ablesbarkeit der Struktur des Gebäudekomplexes, die durch die Farbgebung gegeben war. Übrig geblieben ist ein ausdruckloses Konglomerat von anonymen Baumassen.

Mit den „Villes nouvelles“ wurde ab den frühen sechziger Jahren, meist mit gehörigem Abstand um Paris herum, versucht, den Druck des Wohnungsbedarfs in der Metropole zu mindern. In den neuen Städten versuchte man mit häufig nur oberflächlich gesetzten gestalterischen Mitteln wie der Farbgebung Attraktivität zu gewinnen. Eine der wenigen, bezüglich ihrer farblichen Gestaltung überzeugenden Wohnanlage war „Les Linandes“. Sie wurde von Lenclos durch Farbe anschaulich strukturiert, sensibel gegliedert und dadurch in ihrer Erscheinung verständlich gemacht mit einer Farbpalette der Erden von Ockerbrüchen wie denen im südfranzösischen Roussillon.

Occkerbruch bei Roussillon

Foto: © A. Müller-Giebeler

Die Nuancen der Palette reichen von Caput mortuum violett über Oxydrot, gelbroten und lichten Ocker bis hin zu hellem Gelb.

Farbgestaltung Wohnanlage Les Linandes am Modell

Foto: © Jean-Philippe Lenclos / with kind permission of Jean-Phillipe Lenclos

Wohnanlage Les Linandes Frankreich mit ursprünglicher Farbgebung 70er Jahre

Im Bild ist die von hell nach dunkel verlaufende Farbreihe zwei Mal zu sehen: Links mit starker räumlicher Staffelung, rechts recht gerade verlaufend.

Das linke, westlichste und am weitesten vorspringende Gebäude ist dunkel, die in die Tiefe gestaffelten Gebäude sind zunehmend heller angelegt bis zu dem aus der Tiefe hervorstrahlenden Gelb. Vor die jeweils dunkleren Farben der Fassaden treten die heller gefassten Balkonelemente. Lenclos spielt hier die Möglichkeiten der räumlichen Wirkung der Farben aus: Das gelbe Gebäude ist ferner gelegen, wird aber als nah empfunden, während das dunkle zunächst zurücktritt, obwohl es am weitesten auskragt. Damit erzielt Lenclos die reiche Plastizität und die differenzierte Auflösung der gewaltigen Baumassen.

Wohnanlage Les Linandes Farbgestaltung

Foto: © Jean-Philippe Lenclos / with kind permission of Jean-Phillipe Lenclos

Wohnanlage Les Linandes Farbgestaltung

Foto: © Jean-Philippe Lenclos / with kind permission of Jean-Phillipe Lenclos

 

PS: Gut 10 Jahre vor „Les Linandes“ entstanden im Berliner Märkischen Viertel
die blau-weiß-rot gegliederten Hochhäuser mit harter plakativer Farbigkeit.

Märkisches Viertel Berlin Wohnanlage

Bild aus: Sikkens (Hrsg.) Farb-Bau

Hier gilt auch und insbesondere für die Verwendung von Farbe, was Heinrich Klotz für Architektur und Städtebau formulierte:

„Hätten wir das „Neue Bauen“ auf dem Niveau von Taut und May gehalten, hätten wir es vermocht, die feinfühlige Balance zu halten zwischen Standard und Mannigfaltigkeit, Wiederholung und Akzent, so hätte die Kritik an der Moderne, wie sie in den siebziger Jahren zur Geltung kam, kaum einen Anlass gehabt.“ (aus: Heinrich Klotz: Geschichte der Architektur. München 1955. S. 235)