Farbe in der Architektur

Der Farbentwurf und die Qualität seiner Umsetzung

Zur Frage nach der möglichen und nötigen Akzeptanz von Farbabweichungen

 

Erfreulich für Architekten, Maler, „Färber“ und „Farbenangeber“, daß ca. 15.000 Farben in Bautenfarbenprodukten für die Farbgebung in der Architektur zur Verfügung stehen und diese zumeist in großer, akzeptabler Genauigkeit hergestellt werden.

Dennoch soll im Folgenden auf die Problematik hingewiesen werden, daß Entwürfe verfälscht oder gar entstellt werden können, wenn es bei der Ausführung eines Entwurfs zu Farbabweichungen kommt.

Anstrichmuster auf verschiedenen Materialien und Untergründen liegen aufeinander

Bemühter aber auch mühseliger Versuch eines Farbenherstellers, die im Entwurf vorgesehene Farbe akzeptabel herzustellen. So unglaublich es ist, die zweite Farbe von rechts wurde erst einmal als Nachstellung der ersten von rechts angeboten und erst schrittweise der geforderten angenähert, jedoch ohne diese zu erreichen.

Anstrichmuster

Die Erfahrungen aus der Praxis zeigen, daß der Maler die ihm gelieferten Farben nur höchst selten auf Übereinstimmung mit der geforderten Farbe prüft.

Beim Zusammenspiel mehrerer Farben, wie in der Architektur z.B. mit den Farben der Fassade, des Dachs, der Dachunterseite, des Sockels, der Fenstereinfassung, der Fenster und der Haustüre ist feinste Differenzierung der Farben erforderlich, weil schon eine nur geringfügige Veränderung einer Farbe einen andersartigen, anders wirkenden Farbklang ergibt. Das heißt, wenn ein Farbentwurf ernst gemeint ist und authentisch umgesetzt werden soll, ist zu prüfen ob die Farben die ausgeführt werden sollen mit denen des Entwurfs möglichst genau übereinstimmen. Wenn dies nicht zutrifft muß die Farbe neu gemischt oder gar neu rezeptiert werden.

Prof. Friedrich Schmuck verschiedene Anstrichmuster

(a) Zusammenspiel dreier Farben gleichen NCS-Farbtons.
(B) Schon eine nur geringfügige Veränderung der mittleren Farbe verändert den Charakter des Farbklangs.
(c) Der Unterschied der beiden mittleren Farben.

Die Kunst, eine vorgegebene Farbe nachzumachen

Farben zu ermischen ist ganz und gar nicht einfach; insbesondere dann, wenn es um das genaue Nachmischen einer vorgegebenen Farbe geht, von der nicht bekannt ist, mit welchen Pigmenten sie hergestellt wurde.

Das ist nicht erst heute so schwierig, das war es schon immer, wie die Ausführungen von August Ludewig Pfannenschmid von 1781 zeigen. Seiner Einschätzung nach werden die „Lehrlinge in der Kunst des Malens ……… wohl nicht alle aufs beste zum Farbenmischen angeführt …….. . Vielleicht sind mit der Zeit einige darunter, die nach langem Probieren, z.B. eine ihnen vorgegebene Farbe nachmachen, und zwar genau nachmachen können; allein es bleibt immer noch die Frage: haben sie es auch auf kürzeste, leichteste und wohlfeilste Art getan? Und darauf, dünkt uns kommt schon vieles an.“ (Ernst Rudolph Schulz (Hg.): August Ludewig Pfannenschmids Versuch einer Anleitung zum Mischen aller Farben blau und gelb und roth nach beiliegendem Triangel. Hannover 1781.)

„Augen zu und durch”?

Nicht getroffene Farbe bei einem Fassadenanstrich

Nicht ganz getroffen …

Die Übereinstimmung nachgemischter Farben mit den vorgegebenen wird zumindest in der Praxis der Baugestaltung nur von wenigen geprüft, so als wäre Übereinstimmung selbstverständlich. Häufig dient als Begründung für die fast selbstverständliche Erwartung von Übereinstimmung der trügerische Glaube an die Unfehlbarkeit des Computers bei der Rezeptierung.

Heinz W. Krewinkel, Architekt, Journalist und Gründer der Zeitschrift „Farbe und Design“ nannte im Kolloquium „Farbe und Architektur“ 1982 an der Universität Essen das dort vorgestellte ACC-System, und er nennt dieses stellvertretend für alle exakt definierten Farbsysteme, „Eine Lösung der Farbwiedergabeprobleme für die Baugestaltung.“ (ACC-System=Acoat Colour Codification System, 1976-78 vom Autor für Sikkens entworfen,- realisiert in den Sikkens Kollektionen 2021,3031,4041 sowie in der Color Map.)

Aber Erich Wiesner, der „Färber“ von Projekten u.a. der Architekten Behnisch und Steidle beschreibt in Heft 45 der „Bauwelt“ 1991 seine ernüchternde Erfahrung so: „Der Computer der Farbenhersteller konnte angeblich jede Farbe mischen, wenn er nur mit einem Muster gefüttert würde. Wir testeten ihn mit 7 Proben. Das Ergebnis war eine Katastrophe. Keine Farbe erreichte ihr Muster annähernd. Dies führte zu 2-tägiger Arbeit im Labor des Farbenherstellers zusammen mit einem Jung- und einem Altmeister. Für jedes Rezept waren bis zu 14 Varianten nötig.“

Die Entwicklung der Farbrezeptierung ist weitergegangen, die Ergebnisse sind heutzutage weit besser als vor 20 Jahren. Sie könnten gar immer exzellent sein, wenn die hohen Kosten für sorgfältigste Rezeptierungen dies nicht bei manchen Herstellern verhinderten.

Das Wehklagen war groß bei den Malern, die sich ja nicht selten mehr als Künstler denn als Handwerker verstanden, als in den siebziger Jahren die Einführung der Farbmischmaschinen den Maler als „Schöpfer“ der am Bau zu verwendenden Farben überflüssig machten. Geklagt wurde besonders darüber, dass das „Ureigenste“ des Malerberufs, das Mischen und das war das „Herbeizaubern“ von Farbnuancen, nun nicht mehr Aufgabe des Gewerks sein sollte.

Nicht getroffene Farbe bei einem Fassadenanstrich

…. auch hier nicht

Dass heutzutage nur wenige Maler prüfen ob die Farbe, die die Industrie ihnen liefert auch genau dem entspricht was sie bestellt haben und das sind zumeist von der Industrie selbst herausgegebene und angebotene Farben,- das lässt vermuten, dass es zu der Zeit als der Maler noch selbst mischen mußte auch schon nicht um die Exaktheit der Nuancen ging sondern eher um die Mystifizierung des Mischens, dessen Geheimnisse niemand sonst verstehen sollte als der Maler!

Eine meist nur hinter vorgehaltener Hand ausgesprochene aber vielfach bestätigte Malerregel jener Zeit lautete: Eine nachgemischte Farbe ist spätestens dann gut getroffen wenn der Eimer voll ist.

Eine 1999 von einem Farbenhersteller veranlaßte, nicht repräsentative Befragung von Malern ergab u.a. folgende Erkenntnisse:

„Die befragten Maler legen keinen Wert auf 100% ige Reproduzierbarkeit der Töne.“

„Von den Malern mit eigener Farbmischmaschine werden auch nicht standardisierte Bautenfarbenprodukte anderer Hersteller als dem seiner Mischmaschinenprodukte getönt, was natürlich keine Farbgenauigkeit erwarten läßt.“

„Muster für Musterflächen werden meist freihändig gemischt und annähernd reproduziert.“

Selbstbetrug

Häufig wird beim Prüfen von Farbmustern auf Gleichheit mit der Vorlage versucht, durch „Abwinkeln“ des Musters dessen Farbe mit der der Vorlage gleich erscheinen zu lassen. Das ist grundsätzlich ein kluger, wenn auch hier untauglicher Versuch zwei Farben wie eine erscheinen zu lassen. Diese Aufgabe wurde in der „Interaction of Colour“ von Josef Albers beschrieben, dort aber ernsthafter und erfolgreicher gelöst. (Starnberg 1973. Text auch aus: Köln 1970 und 1997 (Bilder jeweils nur untauglich illustrierend).)

a = Vorlage, dessen Farbe nachgestellt werden soll
x1 = nachgestellte Farbe dunkler als a
x2 = x1 ins Licht gedreht, dadurch gleich hell wie a

„Farbtongenauigkeit”, Farbgenauigkeit – Farbübereinstimmung/Farbabweichung

In zahlreichen Anzeigen von Unternehmen der Farbenindustrie und des Farbenhandels wird auf „Farbtongenauigkeit“, gemeint ist Farbgenauigkeit, hingewiesen. „Farbtongenauigkeit“ bedeutet dabei, daß es Übereinstimmung gibt zwischen einer vorgegebenen und einer dieser entsprechenden, nachgemischten Farbe. Diese „Farbtongenauigkeit“ wird in den Anzeigen als ein Qualitätsmerkmal der Produkte hingestellt, besonders wenn da auf „sehr hohe“, gar „höchste“ verwiesen wird, auf ein Höchstmaß an….“oder auf solche „die selbst höchsten Ansprüchen gerecht wird“.

Die Häufigkeit und die Überschwänglichkeit solcher Attribute läßt vermuten, daß zumindest dem Begriff „Farbtongenauigkeit“ von den Marketingexperten und deren Werbern ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Allein es ist die Frage wie verläßlich solche Beteuerungen sind. Als Antwort darauf finden sich im eher Kleingedruckten Einschränkungen manchmal mit kuriosen Erklärungen.

So heißt es zum Beispiel, daß die in der Farbenkollektion angebotenen Farben nur als „Anhaltswerte“ zu gelten haben oder daß es sich um „Annäherungswerte“ handelt. Auch wird schon mal darauf hingewiesen, daß Farben in der Praxis durch „Austrocknungsbedingungen“ vom Bestellten abweichen können, ganz so wie es schon im alten Ägypten bei den Mumifizierungen und damit wohl auch beim Pigment Mumie(ngrau) vorgekommen sein soll. Schließlich sollen sich Abweichungen durch die „Unterschiedlichkeit bei Farbenkarte und Putz“ ergeben können oder durch die „Verwendung von Druckfarben“. Das alles sind Ausflüchte aus dem Dilemma, daß einerseits Farbgenauigkeit etwas höchst Wünschenswertes und ein hohes Gut der Farbenindustrie ist mit dem man glaubt in der Werbung punkten zu können, andererseits, sie zu erreichen, mit Schwierigkeiten, Unwägbarkeiten, großem Aufwand und hohen Kosten verbunden ist.

Immer wieder wird in den Anzeigen von möglichen, geringfügigen Abweichungen gesprochen die hin zu nehmen sind. Was aber ist geringfügig?

Farbabstände

Ludwig Gall, Urheber des Eurocolor- und des RAL Design Systems gibt zu bedenken:

„Der Abstand zwischen zwei Farben wird mit Hilfe der CIE Lab-Formel ermittelt und mit einem Wert von DE(Delta E) angegeben. Theoretisch entspricht D=1 einem gerade noch unterscheidbaren Farbunterschied. In der Praxis wird ein solcher Farbunterschied jedoch je nach Farbbereich mit D=0,1-2,0 bewertet.“ Aus: www.farbmetrik-gall.de/cielab/toleranz/index.html

Das heißt, daß die Farbabstandsbewertung mit der CIE Lab-Formel nicht in allen Farbbereichen einer empfindungsgemäßen Bewertung entspricht.

Im Merkblatt 25, „Richtlinien zur Beurteilung von Farbübereinstimmungen und Farbabweichungen“ herausgegeben vom „Bundesausschuss Farbe und Sachwertschutz“ werden für die „normalen Anforderungen“ an die Übereinstimmung der geforderten und der gelieferten Farben „übliche“ Farbabstände definiert und in einem Diagramm dargestellt. (Merkblatt 25. Richtlinien zur Beurteilung von Farbübereinstimmungen und Farbabweichungen. Frankfurt am Main 2003)

Dabei wird besonders angemerkt: „Die farbortabhängige Bewertung von Farbdifferenzen mit Hilfe des Diagramms berücksichtigt bzw. korrigiert die in dem CIE Lab-System nicht empfindungsgemäß gleichabständig bewerteten Farbabstände.“

Praxisbeispiele nicht akzeptabler Farbabstände

Zur Verdeutlichung der angesprochenen Problematik der Farbabstände zwischen gewünschter und gelieferter Farbe werden noch einige Beispiele aufgezeigt wie sie in der Praxis der Farbgebung für Architektur vorgelegt wurden.

Verschiedene Anstrichmuster

Die kleinen Muster zeigen die Farben des Entwurfs für eine Wohnanlage in Lünen 2013, die großen die Proben des Farbenherstellers: unwürdig jeglicher ernsthafter Beschäftigung

Anstrichmuster

Sommer 2014 – Backhaus am Museum in Dinslaken: überflüssige Diskussion

Anstrichmuster

September 2017 – Schule in Dinslaken:
Oben links die gewünschte Farbe des Entwurfs, rechts die zuerst vorgelegte, nicht akzeptierte Nachstellung, links unten die neu vorgelegte!

Anstrichmuster

Mittig die gewünschte Farbe

Anstrichmuster

Nur eine kleine Auswahl vorgelegter Farben, die jeweils als große Muster vorliegen. Auch eine RAL-Farbe ist dabei: Mittleres Grau, oben, links der Mitte. Die kleinen Muster zeigen die Farben des Entwurfs.

Die angegebenen Beispiele sind nicht repräsentativ. Sie sollen auf die Problematik hinweisen, die bei der Realisierung von Farbentwürfen entsteht. Wenn wir Abweichungen vom Farbentwurf hinnehmen müssen stellt sich die Frage was die Eigenart des Entwurfs schmälert, was ohne Qualitätseinbuße hinzunehmen ist. Wenn wir nicht prüfen ob die Farben eines Entwurfs sehr genau ausgeführt werden, müssen wir uns nicht über das Ergebnis wundern.

Wenn wir die Farben von Systemen in der Praxis verwenden zum Entwurf und zur Ausführung und nicht unsere gewünschten Nuancen selbst ermischen, dann gilt, daß eine Abweichung von der entworfenen Farbe nicht immer falsch sein muß, weil wir ja gar nicht jede Nuance zur Auswahl hatten und wir beim Entwerfen nicht sicher wussten ob eine der nicht verfügbaren Nuancen nicht noch besser gewesen wäre als die entschiedene.

© Friedrich Schmuck 2017

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